Das Ende der Aushandlungen!?
Während sich die 1990er Jahre noch durch eine gewisse Globalisierungseuphorie auszeichneten, in der die Möglichkeit einer globalen Entgrenzung sozialer Aushandlungsprozesse in greifbare Nähe gerückt zu sein schien, sind die sich durch die Globalisierung einstellenden sozialen Verwerfungen heutzutage nicht mehr zu übersehen. Die Vorstellung, dass ein globaler Austausch zum Entstehen einer weltweiten Ökumene führen könnte, macht zunehmend dem Bewusstsein Platz, dass existierende oder erst entstehende Formen der Ungleichheit, der Exklusion, Abschottung und Verhärtung neue Begrenzungen befördern. Diese betreffen auch die Frage, mit wem, unter welchen Bedingungen, in welcher Weise und mit welchen Zielsetzungen soziale Aushandlungen betrieben werden – wenn überhaupt. Prozesse der Polarisierung und ideologischen Schließung erlangen dabei auch in den innerstaatlichen Beziehungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen eine erhöhte Virulenz. Unter identitätspolitischem Rückbezug auf unterschiedliche Formen der sozialen oder kulturellen Distinktion entstehen dadurch disjunkte und introvertierte Räume der sozialen Aushandlung, die sich gegenseitig kaum zur Kenntnis nehmen oder auch jegliche Dialogmöglichkeit davon abhängig machen, dass den eigenen Maßgaben gefolgt wird.
Im Zuge der gleichnamigen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Kultur- und Sozialanthropologie im September 2019 sucht dieser Blog nach empirienahnen Beschreibungen und Analysen dessen, was von sozialen Akteuren in bestimmten Situationen und Kontexten als ‘nicht verhandelbar’ gesetzt wird, sei es aus strategischen Erwägungen, weltanschaulichen Überzeugungen oder aufgrund (über)lebenswichtiger Grundsicherungen. Kritisch diskutiert werden sollen gegenwärtig zu beobachtende Prozesse, in denen die potentiell unbegrenzten Dynamiken sozialer Aushandlungen durch Akte der Schließung zu einem Ende gebracht oder nach einer vorübergehenden Schließung für neue Aushandlungen geöffnet werden.
Wie alle boasblogs zielt auch der Blog „Das Ende der Aushandlungen!?“ im Sinne einer Public Anthropology darauf, wissenschaftliche Erkenntnisse einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, um dadurch einen kritisch-konstruktiven Beitrag zu aktuellen gesellschaftlichen Debatten zu leisten und gesellschaftliche Beziehungen auf verschiedenen politischen, sozialen und alltäglichen Ebenen mitzugestalten.
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