09/04/18

What’s in a name?

Drei Tage vor der Umbenennung der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde (DGV) in Deutsche Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie (DGSKA) erscheint von ihrer ehemaligen Vorsitzenden Carola Lentz ein Beitrag im Blog „Kulturrelativismus und Aufklärung“, in dem sie schreibt, sie könne sich vorstellen, die Ethnologie in einer übergreifenden Kultur- und Gesellschaftswissenschaft aufgehen zu lassen.

Hat die Umbenennung in Deutsche Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie genau diese Wendung vollzogen?

Vor der namensändernden Versammlung hatte sich in einer internen Email-Liste der Instituts-Leitungen eine Mehrheit für den Namen „Deutsche Gesellschaft für Ethnologie“ ausgesprochen. Studierende und Nachwuchswissenschaftler*innen hingegen fühlen sich allem Anschein nach eher von einer allgemeinen Sozial- und Kulturanthropologie angezogen, die sich dem Namen nach an einer internationalen „Anthropology“ orientiert. Als „überfällig“ kommentierte auch ein eminenter Fachvertreter der englischsprachigen Anthropology während der DGV-Tagung in Berlin die Umbenennung in Deutschland. Zu welchen Zukunftsausrichtungen im Fach könnte die Umbenennung Anlass geben? Läuft die Umbenennung Gefahr, den Kern der ethnologischen Methode – die lang andauernde Feldforschung – zu verwässern, weil sie den Aspekt der Fremdheitserfahrung zugunsten einer allgemeinen Kultur- und Sozialanthropologie in den Hintergrund drängt? Oder kann diese Wendung dazu beitragen, die traditionelle Aufteilung in Inlands- und Auslandskunde, Volks- und Völkerkunde, die im deutschsprachigen Raum die ethnologischen Wissenschaften trennt, zu überwinden?

Zugleich scheint die Internationalisierung des Namens für manche Fachvertreter*innen längst überwundene Geister der deutschen Anthropologie heraufzubeschwören. Karl-Heinz Kohl etwa weist in seinem Beitrag zum Blog „Wie weiter mit Humboldts Erbe?“ darauf hin, dass der deutsche Begriff der Sozialanthropologie gegen Ende des 19. Jahrhunderts von sozialdarwinistischen Rassentheoretikern geprägt worden war. Zudem sei auch die englische „Social Anthropology“ durch den Kolonialismus hoch belastet, so dass ein Fach dieses Namens in vielen klassischen Forschungsgebieten der außereuropäischen Ethnologie auf Misstrauen stößt. Leiden die Mitglieder, die nach der Entscheidung für den neuen Namen der Gesellschaft erleichtert jubelten und klatschten, tatsächlich an „Geschichtsvergessenheit“, wie es Karl-Heinz Kohl in seinem Debattenbeitrag unterstellt?

Die Redaktion dieses Blogs hat sich aufgrund drängender Nachfragen entschieden, wichtige Vertreter*innen dieser Diskussion einzuladen und die bisher eher informell gehaltene Debatte noch einmal öffentlich aufzubereiten – nicht, um damit Debatten über eine erneute Umbenennung anzustoßen, sondern damit die Karten auf den Tisch kommen, wie wir in unseren unterschiedlichen Kontexten Fachbenennung und Fachidentität mit einander verbinden, und wie wir unsere wissenschaftlich und gesellschaftlich notwendige Wissenschaft auch jenseits von Namensgebungen besser zur Geltung bringen können.

 

Redaktion
(im Rahmen der Bloginitiative der Zeitschrift für Kulturwissenschaften, des Global South Studies Center in Köln und des SFBs Medien der Kooperation in Siegen):

Christoph Antweiler – christoph.antweiler@uni-bonn.de

Michi Knecht – knecht@uni-bremen.de

Ehler Voss (V.i.S.d.P) – ehler.voss@uni-siegen.de

Martin Zillinger – martin.zillinger@uni-koeln.de