02/05/23

Gens

Ein feministisches Manifest zur Erforschung des Kapitalismus

Der zweisprachige boasblog Researching Capitalism sucht nach ethnographischen Möglichkeiten, um den zeitgenössischen Kapitalismus zu erforschen. Im Zentrum steht dabei ein Manifest („Gens“), das einen feministischen Ansatz verfolgt und sich gegen etablierte Modelle etwa von Karl Marx, Michel Foucault oder Michel Callon positioniert. Indem die Autorinnen Laura Bear, Karen Ho, Anna Tsing und Sylvia Yanagisako eine substantivistische Grundidee weiterentwickeln, richten sie ihren Fokus auf die heterogenen, alltäglichen und relationalen Dimensionen der fortwährenden Genese kapitalistischer Beziehungen. Der folgende Beitrag ist eine Übersetzung des Manifests, das 2015 in der Blogserie „Theorizing the Contemporary“ der Zeitschrift Cultural Anthropology erschien. Wir hoffen, damit einen kritischen Impuls für deutschsprachige Seminarräume und breitere Diskurse zu geben sowie zur Debatte der Themen Kapitalismus, Ökonomie und Feminismus beizutragen.

Übersetzung: Tim Burger

  1. Was ist Gens?

    Unser Titel signalisiert eine grundlegende Neudefinition des historisch vielschichtigen Begriffs „Gens“. Gens begann als römisches Konzept einer männlich begründeten Familieneinheit, bevor es erweitert wurde, um soziale Unterschiede wie etwa aristokratische Abstammungslinien zu beschreiben. Lewis Henry Morgan veränderte das Konzept weiter, indem er darauf die ethnologische Untersuchung von Verwandtschaft begründete sowie die „ursprünglichen“ matriarchalen Wurzeln von Gemeinschaft aufzeigte (Trautmann 1992; Feeley-Harnik 2002). Friedrich Engels griff schließlich auf Morgan zurück, um zu argumentieren, dass die patriarchale Form von Gens das Ende matriarchaler Systeme herbeiführte. Gleichzeitig ist Gens auch die etymologische Wurzel von Gender, Genus, Genre, Generation und generieren. Für unser Anliegen ist dieser Begriff konstruktiv, da er eine lange Geschichte der Aneignung menschlicher und nicht-menschlicher Lebenskräfte durch soziale Formen in sich trägt. Seine vielseitige Verwendung regt zur Reflexion über die spezifische Darstellung dieser Lebenskräfte an, welche wiederum Formen sozialer Ungleichheit fördern. Darüber hinaus verweist Gens spezifisch auf eine Geschichte voller Widersprüche zwischen männlicher Autorität und weiblichen Verwandtschaftsbeziehungen, und damit auf das Spannungsfeld von Inbesitznahme und Generativität, indem soziale Macht per se verortet ist. Und schließlich spielen wir bei der Aneignung dieses Begriffs bewusst mit der Ironie, dass eine patriarchal begründete Familieneinheit die Wurzel für das Wort „Gender“ liefert, während wir unseren Forschungsansatz zum Kapitalismus in einer emanzipatorischen (jedoch häufig ignorierten) Herkunftslinie feministischer Untersuchungen zu Gender, Verwandtschaft und Race, sowie weiteren marginalisierten epistemologischen Ansätzen, begründen.

    Gens ist ein vielschichtiger, flexibler Begriff, der unser Interesse an den generativen Kräften des Kapitalismus und den dadurch produzierten Ungleichheiten zum Ausdruck bringt.  Unsere Aufmerksamkeit gilt deshalb insbesondere dem generativen Aspekt dieses Begriffs, insofern er die Mittel und Mechanismen, d.h. die eigentlichen Prozesse der Generierung von Systemen und Gesellschaften, beleuchtet.

    • Gens: ein Kollektiv feministischer Abstammung zur Erforschung kapitalistischer Ungleichheit.

  2. Wieso ein feministisches Manifest?

    Die intensive Auseinandersetzung mit feministischen Ansätzen hat uns dazu veranlasst, die Abgeschlossenheit des Bereichs des „Ökonomischen“ zu hinterfragen. Unser alternativer Ansatz fokussiert stattdessen auf die ganze Bandbreite produktiver Kräfte und Praktiken, wodurch Menschen sich vielgestaltige Existenzgrundlagen erschaffen (und worauf wiederum kapitalistische Ungleichheiten begründet sind), indem sie das Potential von Ressourcen, Geld, Arbeit und Investitionen zu realisieren versuchen. Wir verstehen unsere Intervention als Wiederbelebung feministisch-substantivistischer Ansätze zur Sphäre des „Sozio-Ökonomischen“ (z.B. Kondo 1990; Mills 1999; Ong 1987; Rosaldo 1980; Strathern 1988; Weiner 1992; Wilson 1999; Wolf 1992). Historisch betrachtet erkannten feministische Substantivist:innen zwar, dass die enge Eingrenzung sowie die Entbettung von „Marktbeziehungen“ beziehungsweise „Nicht-Marktbeziehungen“ bloße Illusionen waren. Doch obwohl sie aus dieser Einsicht eine Kritik der vorherrschenden Analysen entwickelten, artikulierten sie nie einen eigenen umfassenden Ansatz zur Untersuchung des Kapitalismus. Unsere Neudefinierung und Erweiterung dieser Analysemethode sind auf zweifache Weise hilfreich. Wir können dadurch nicht nur jene Modelle überwinden, in denen die Welt der Haushalte, der Verwandtschaft, und der „nicht-kapitalistischen“ Institutionen radikal von der Welt des Marktes abgegrenzt werden, sondern wir entwickeln gleichzeitig auch einen Ansatz des „generierenden Kapitalismus“, der die Ungleichheiten kapitalistischer sozialer Beziehungen zu fassen vermag.

    • Feminismus hinterfragt die diskursiven Repräsentationen „des Ökonomischen“ als eigenständige Sphäre.

  3. Die Wirtschaft ist keine Logik, und Kapitalismus nicht ihr Vehikel

    Trotz der zahlreichen und vielfältigen Versuche, Politik, Gesellschaft und Geschichte in Analysen des Kapitalismus miteinzubeziehen, stellen wir fest, dass in dieser Literatur wieder und wieder eine imaginierte „ökonomische Logik“ als treibende Kraft auftaucht. Das Ökonomische wird unermüdlich als singuläre Logik gedacht, die einer vorgefertigten Sphäre entspringt und sich in historischen und kulturellen Realitäten ausdrückt. Dass „die Wirtschaft“ ein etablierter und relativ begrenzter wissenschaftlicher Fokus ist verdeutlicht, wie solch vorgefertigte Welten – angeblich charakterisiert durch ihnen inhärente Praktiken und normierende Logiken – als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Ethnolog:innen und andere kritische Wissenschaftler:innen (Ho 2005; Kasmir 1999; Ong und Collier 2004; Tsing 2000) schreiben seit langem gegen solche Modelle an. Sie veranschaulichen, dass totalisierende Entwürfe – selbst, wenn sie explizit als Kritik des Kapitalismus formuliert werden – unweigerlich zur Reproduktion kapitalistischer Träume und in den Worten von Gibson-Graham (1996) zu „capitalocentrism“ führen. Stattdessen verstehen wir Kapitalismus als generiert aus dem relationalen Zusammenwirken produktiver Kräfte, die über formale ökonomische Modelle, Praktiken, Grenzziehungen und Marktinstrumente hinausgehen. Anstatt Kapitalismus also a priori anzunehmen, als eine immer schon determinierende Struktur, Logik und Entwicklung, fragen wir, wie kapitalistische soziale Beziehungen aus uneinheitlichen Lebensprojekten generiert werden. Wir sind nicht an einem singulären Ursprung interessiert, von dem aus eine allumfassende kapitalistische Logik entspringt, und genauso wenig nehmen wir an, dass jede Person von denselben ökonomischen Grundprinzipien geleitet wird. Vielmehr interessieren wir uns für die instabilen und ungewissen Netzwerke des Kapitalismus, die uns umgeben. Diese sind fragiler und intimer, als uns Theorien über inhärente Kernwidersprüche oder determinierende ökonomische Logiken glaubhaft machen wollen. Sie generieren sich aus Heterogenität und Differenz sowie aus unseren vielseitigen Bestrebungen, bestimmte Individuen, Familien oder Gemeinschaften werden zu wollen und zu sein (siehe auch Narotsky und Besnier 2014).

    Mit unserem Ansatz folgen wir wichtigen anthropologischen Beiträgen zu dieser Debatte. Wegweisende Beiträge erarbeiteten sowohl die Macht ökonomistischer Praktiken als auch die Vielfalt der sozialen Beziehungen, die dem Kapitalismus immanent sind (Dunn 2008; Elyachar 2005; Miller 2002; Mitchell 1998, 2002). Während wir aus dieser ergiebigen analytischen Tradition schöpfen, um zu betonen, auf welch vielfältige Weise nach Wert gestrebt werden kann und welch konstitutive Kraft Grenzziehungen ausüben, beginnt unser Ansatz jedoch nicht mit Märkten und explizit ökonomischen Praktiken. Stattdessen gilt unser Interesse den diversen und weitreichenden Lebens- und Produktionspraktiken, die etablierte soziale Sphären überlagern.

    Es ist an dieser Stelle wichtig hervorzuheben, dass wir den Einfluss und die Macht des Kapitals durchaus anerkennen. Genauso würdigen wir die Bedeutung systemischer und struktureller Analysen. Wir betonen jedoch, dass Struktur nicht unabhängig existiert, sondern auf heterogene Weise fabriziert wird, indem vielfältige Projekte aufeinander abgestimmt und auf verschiedene Ziele hin umgewandelt werden. Diese Zwecke wiederum beinhalten (aber sind nicht begrenzt auf) die Akkumulation und Distribution von Kapital. Die Macht und die strukturellen Formationen von Kapital anzuerkennen, zwingt uns in keiner Weise dazu, weder dem Kapital noch dem Kapitalismus eine singuläre, kohärente und totalisierende Logik zuzuschreiben.

    Der Gens-Ansatz ist somit eine koordinierte Strategie, um die Konstruiertheit des Kapitalismus aufzuzeigen – all die harte und auch intime Arbeit, die nötig ist, um vielfältige kapitalistische Projekte zu erschaffen, zu übersetzen, zu verweben, umzuwandeln und zu verbinden, so dass Letzterer erst als totalisierend und kohärent erscheinen kann. Repräsentationen des Kapitalismus, die diese Anstrengungen nicht anerkennen, laufen Gefahr, Interessen und Wirkweisen des Kapitals zu verschmelzen – und damit unbeabsichtigt und teleologisch die „unsichtbare Hand“ zu reproduzieren. Darüber hinaus führen uns unsere Fragen zur Instabilität und Generativität zurück zur kontingenten Produktion von Ungleichheit und struktureller Gewalt. Heterogenität festzustellen bedeutet nicht, die tiefen Einschnitte und die Tragweite der durch strukturelle Gewalt zugefügten Verletzungen zu bestreiten, sondern sie zu erklären und somit zu problematisieren.

    • Kapitalismus ist in seinem Kern ein vielfältiges, intimes Netzwerk aus menschlichen und nicht-menschlichen Beziehungen.

  4. Klasse generiert sich innerhalb historisch wechselnder Dynamiken von Gender, Race, Sexualität und Verwandtschaft

    Eine zentrale Erkenntnis der feministischen Anthropologie ist, dass Klasse nur innerhalb von Geschlecht, Race, Sexualität und Verwandtschaft generiert werden kann (Bear 2007; Fernandez-Kelly 1984; Ho 2009; Ong 1987; Rofel 1999; Rubin 1975; Yanagisako 2002, 2013; Zavella 1984). Wenn wir also strukturelle Beziehungen innerhalb des Kapitalismus verstehen wollen, müssen wir zunächst untersuchen, wie diese durch weit umfassendere Prozesse menschlicher und nicht-menschlicher Beziehungen erzeugt werden. Es beeinträchtigt demnach die Analyse, wenn wir „Klasse“ als Idealtypus außerhalb dieser Beziehungen annehmen. Ein weiteres Mal würde man fälschlicherweise den Kapitalismus als eine allumfassende ökonomische Logik voraussetzen. Feministische Wissenschaftler:innen haben aufgezeigt wie marxistische Ansätze – wenn auch anderweitig produktiv – schon in ihren frühesten kritischen Analysen gegenderte, sexualisierte und rassifizierte Figuren nutzten (Scott 1999; Ferguson 2004; Tsing 2009). Außerdem zeigte uns die feministische Kritik des Naturkonzepts, wie die fruchtbare Generativität der Welt wiederholt instrumentalisiert wurde, um Unterscheidungen durch Klasse, Race, Verwandtschaft und Nationalität zu repräsentieren und zu konstruieren (Yanagisako und Delaney 1995; Franklin und McKinnon 2002; Stoler 2002). Wir schöpfen vielfach aus diesen Arbeiten, besonders indem wir erkunden, wie nicht nur ungleiche Formen von Identität, sondern auch die eigentlichen Rohstoffe und Treibkräfte des Kapitalismus in historischen Konfrontationen entstehen (Tsing 2018 [2015]).

    Das Thema der Akkumulation ist grundlegend für unsere Diskussion. Wir möchten verstehen, wie Ungleichheit aus heterogenen Prozessen entsteht, durch die Menschen, Arbeit, Empfindungen, Pflanzen, Tiere und Lebensformen in Ressourcen für verschiedene Produktionsvorhaben verwandelt werden. Wir erkennen an, dass solche Umwandlungen – obwohl außerordentlich mächtig – nicht immer vollständig, konsistent oder einheitlich sind.

    Manche dieser Konvertierungen werden durch spezifische Formalisierungen wie etwa Geld, Verträge, Prüfungen, Ertragskurven und finanzielle Modelle realisiert. Andere Umwandlungen entstehen durch intime soziale Beziehungen wie etwa Heirat, Elternschaft, Freundschaft, Gaben und Erbe. Dennoch können Lebenswelten, genauso wie die Prozesse und Ergebnisse solcher Konvertierungen, uneinheitlich bleiben. Die Arbeit von Thomas Piketty (2014) über Vermögensungleichheit dokumentiert die bedeutende Rolle von familieninternen Erbschaften für die historische Entwicklung von Vermögensverteilung. Seine Erkenntnisse liefern reichlich Belege für die zentrale Bedeutung von Verwandtschaft für Kapitalakkumulation und Klassenbeziehungen. Pikettys Geschichte der Ungleichheit in „führenden“ kapitalistischen Gesellschaften legt also dar, dass Klassenungleichheit nicht verstanden oder verändert werden kann, ohne nicht-ökonomische Machtstrukturen zu beachten, einschließlich der Machtstrukturen innerhalb der intimsten sozialen Beziehungen.

    • Historische Konfrontationen erschaffen Strukturen, nicht andersherum.

  5. Konvertierungsapparate produzieren nicht die Realität

    In den letzten Jahren konzentrierte sich ein signifikanter Teil der Forschung über Kapitalismus auf sogenannte „market devices“ und ökonomisches Modellieren. Obwohl diese Arbeiten wichtig sind, nehmen sie für gegeben, was gemeinhin als „das Ökonomische“ verstanden wird. Jedoch verengt sich dadurch die Analyse der generativen Prozesse von Produktion, Verteilung und Konsum und lässt außer Acht, auf welche Art und Weise diese Prozesse weitere menschliche und nicht-menschliche Beziehungen umfassen. Anstatt uns darauf zu konzentrieren, wie ökonomische Modelle die Realität erzeugen oder wie die Realität sie übersteigt (zwei unbestritten hilfreiche, wenn auch limitierte, kritische Ansätze), verstehen wir diese Formalisierungen als Konvertierungsprozesse zwischen diversen Lebensprojekten. Diese Vermittlung ist wichtig, da sie Akkumulation und Klassenbeziehungen formt, ohne sie jedoch zu determinieren. Wir argumentieren, dass diverse Lebenspraktiken, Beziehungen, Erfahrungen und Kontexte – ihrerseits geprägt durch Verwandtschaft, Charisma, Empfindung, Status, Race, Gender, Klasse, Nation usw. – mit diesen dominanten Prozessen auf unerwartete Weise interagieren.

    Wir argumentieren ebenfalls, dass formale Modelle aus vielfältigen Lebenswelten entstehen und nicht schlichte Manifestationen singulärer Kernlogiken sind. Vielmehr werden sie durch bestimmte soziale und historische Erfahrungen generiert, sowie durch mühsame Übersetzungs- und Konvertierungsarbeit „global“ gemacht. Auf diese Weise vermitteln sie Objekte, die abstrahiert und ihrer Ursprünge beraubt erscheinen. Die entscheidende Macht solcher Modelle im gegenwärtigen Kapitalismus gründet in ihrer Fähigkeit, Partikularität zu beseitigen sowie Gegenstände, Menschen und Ressourcen aus ihren Kontexten herauszulösen (Tsing 2015; Bear 2013).

    Aufgrund der beschriebenen Kapazität von Konvertierungsapparaten, Dinge zu dekontextualisieren, lassen sie diverse soziale und ökonomische Projekte kohärent erscheinen, trotz der heterogenen, versprengten Praktiken, durch die sie konstituiert sind. Ein wesentliches Ziel unseres Kollektivs besteht darin, zu untersuchen, wie diese Vermittlungen den Kapitalismus als eine einheitliche Kraft erscheinen lassen. Unser Fokus liegt nicht nur auf formalen Prozeduren des Dokumentierens, mathematischen Modellierens und Verträgen, sondern vielmehr auf den Empfindungen und Inszenierungen von Identität, Kollektivität und Sozialität, die formale (und informale) Prozesse immer begleiten. Um solche Konvertierungen in ihrer Gesamtheit zu ergründen, geht unsere Analyse über Markttausch und Geldformen hinaus und berücksichtigt zum Beispiel auch die Vermittlungsarbeit zwischen staatlichen und sozialen Schulden, humanitären Projekten und Unternehmertum, und nicht-menschlichen Formen und Waren oder Ressourcen.

    • Konvertierungsapparate vermitteln zwar, aber determinieren Sozialität oder menschliche/nicht-menschliche Beziehungen nicht.

  6. Finanzialisierung ist ein mächtiger, jedoch heterogener und kontingenter Prozess der Vereinnahmung und Konvertierung

    Der übermäßige Einfluss des Finanzapparats im 21. Jahrhundert wird häufig als Ausdruck und Triumph neoliberaler Logik verstanden, ohne dass dieser Aufstieg genauer unter die Lupe genommen wird. Die spezifische Geschichte ist hier aber relevant. Das Finanzwesen – als Konstellation von Prioritäten, Praktiken und Ideologien, die auf vielfältige Weise bestehende Vermögensformen in liquidere Kapitalformen zu konvertieren suchen – ist uralt. Finanzialisierung hingegen bezieht sich auf die Skalierung nach oben und den wachsenden Einfluss des Finanzwesens, und spezifisch auf die engere Verknüpfung, Übersetzung und Interaktion zwischen einem finanziellen Modus, die Welt zu erfassen, und anderen sozialen Sphären (Ho 2015).

    Während unser Ansatz des generierenden Kapitalismus den massiven sozioökonomischen Wandel frontal in Angriff nimmt, der Institutionen, natürliche Ressourcen, Regierungsinstanzen, Bildung, Renten usw. zunehmend von finanziellen Produkten, Messungen und Werten abhängig macht, betonen wir gleichzeitig, dass Finanzialisierungsprozesse ungleich, spezifisch und kontingent sind. Außerdem ist diese Skalierung nach oben (d.h. der weitreichende institutionelle, regionale und globale Einfluss des Finanzapparats genauso wie dessen Hervorbringung individueller Subjektivitäten und Selbstbilder) abhängig von solchen multiplen und nicht-linearen kulturellen, materiellen, politischen und rechtlichen Transformationen, die ebenso vonstattengehen müssen, um die holprige Konvertierung von nicht-finanziellen Assets überhaupt erst zu ermöglichen

    Kann die Analyse der Dezentralisierung und Auslagerung von Risiken auf solch heterogene Lebenswelten zu einem besseren Verständnis von Finanzialisierungsprozessen beitragen? Erlaubt eine Neubewertung von Risiko im Finanzwesen, historisch wie zeitgenössisch, auch eine frische Sichtweise auf die vielbeschworene kapitalistische Logik und das vorherrschende Narrativ der Finanzialisierung? Zweifelsfrei, ja und ja. Ein Beispiel: Das verbreitete Aufzwingen von Subprime-Krediten in den USA gründete teilweise auf der historischen Konfrontation mit rassistischer Diskriminierung [sogenanntes redlining, bei dem Wohngegenden aufgrund von Race nachteilig anvisiert oder ausgeschlossen werden, A.d.Ü.]. Subprime-Kredite bedienten einerseits die Verbindung mit diesem Trauma, und versprachen gleichzeitig deren Überwindung (trotz weiterhin nachteiliger Konsequenzen), um dadurch die Umwandlung von Haushaltseinkommen und -beziehungen (vor allem in afroamerikanischen Nachbarschaften) in Finanzprodukte zu erleichtern. Hier wird offensichtlich, wie Finanzialisierung auf grundlegende Weise mit Haushalten, Race und der Produktion von Risiko zusammenhängt. Tatsächlich können diverse Finanzprodukte und Beratungsformen gleichzeitig auf Konvertierungen innerhalb von Haushalten angewiesen sein und diese überhaupt erst ermöglichen, da Haushalte zwischen Markt und Familie vermitteln (Han 2012; James 2014).

    • Finanzialisierung ist die explizite Anwendung bestimmter finanzieller Marktwerte auf neue Sphären. Sie zerschlägt dabei die Illusion, dass Kapitalismus abgetrennt von multiplen, sich überlagernden Produktionsorten (wie etwa Haushalt, Konzern oder Bildung) existiert.

  7. Immaterielle und affektive Arbeit sind gleichzeitig alt und neu

    Unsere kritische und holistischere Auffassung der generativen Kräfte des Kapitalismus, aus denen wiederum kapitalistische Werte geschöpft werden, lässt uns auch jüngere Behauptungen infrage stellen, nach denen der Kapitalismus einen historischen Wandel durchlaufen hat: von der industriellen Ära, in der „industrielle Arbeit“ dominierte, bis zur post-industriellen Ära, die durch „immaterielle Arbeit“ definiert ist. Diese Narrative kapitalistischer Transformation wurzeln im gut dokumentierten Rückgang des sekundären Sektors (industrielle Produktion) und dem damit einhergehenden Aufstieg des tertiären Sektors (Dienstleistungen), die seit den 1970er-Jahren in den dominanten kapitalistischen Ländern stattfinden. Da die Dienstleistungsindustrie, etwa Gesundheitswesen, Bildungsbereich, Finanzwesen oder Transportbranche, keine materiellen oder haltbaren Güter produziert, klassifizierten Wissenschaftler:innen die Arbeit dieses Sektors häufig als immaterielle Arbeit. Innerhalb der „Informationsökonomie“ machen soziale Beziehungen, Kommunikationssysteme, Informationen und affektive Netzwerke solch immaterielle Arbeit vermeintlich unerlässlich, und bewerten sie deshalb höher (Hardt und Negri 2000).

    Es ist durchaus so, dass zeitgenössische Diskussionen über immaterielle und affektive Arbeit die frühen feministischen Kritiken der Begrenztheit marxistischer Arbeitskonzepte anerkennen. Sie bekräftigen damit das Argument, dass die unbezahlte häusliche Arbeit von Frauen sozial ebenso produktiv ist wie industrielle Arbeit. Gleichzeitig jedoch wird dadurch eine binäre Opposition zwischen immaterieller Arbeit, durchdrungen von Affekt, und industrieller Arbeit, frei von Affekt, konstruiert. Ein solcher Ansatz schreibt diesen Arbeitsformen fälschlicherweise völlig unterschiedliche kreative Energien und kommunikative Kräfte zu.

    In diesen Debatten über affektive Arbeit fehlt vor allem die kritische Anerkennung, dass die Unterscheidung zwischen der “instrumental action of economic production“ und der „communicative action of human relation“ (Hardt und Negri 2000: 293) an sich ein ideologisches Konstrukt ist, das die kommunikative Dimension jeglicher menschlichen Handlung, einschließlich kapitalistischer Produktion und Distribution, verschleiert. Wird diese ideologische Unterscheidung als objektiv bestehende Differenz behandelt, wird dadurch das wichtigste und beständigste Argument feministischer Wissenschaftler:innen übergangen – nämlich, dass Ungleichheit gerade durch die Schaffung solch kategorischer Unterscheidungen zwischen unterschiedlichen menschlichen Handlungen und verschiedenen Akteur:innen generiert wird (Yanagisako 2012).

    • Die Kategorie der immateriellen (affektiven) Arbeit erzeugt eine falsche Dichotomie, die Arbeitsformen inhärent verschiedene kreative Energien und kommunikative Kräfte zuschreibt und sie somit in einer Werthierarchie anordnet.

  8. Die Raumzeiten des Kapitalismus sind heterogen

    Die erste Welle an Theorien über den „neoliberalen“ Kapitalismus beschrieb globale Arbeitsorte als Inbegriff einer verdichteten und beschleunigten Raumzeit, die neue Formen von Produktion und Technologie begleite (Castells 1996; Harvey 1989). Andere Autorinnen argumentierten, dass jedwede soziale Erfahrung nun in einem oberflächlichen Jetzt-Zustand verbliebe – und damit die nahe und ferne Zukunft auflöse (Guyer 2007). Allerdings offenbaren ethnographische Arbeiten über ausgelagerte, global vernetzte und finanzialisierte Arbeitsorte eine andere Realität. Obwohl verdichtete und beschleunigte Raumzeit in Technologien und Managementstrategien als eine Kraft außerhalb der Gesellschaft erscheint, setzt sie ihre Implementierung in konkreten Abreitsorten in Beziehung zu komplexen sozialen Praktiken verschiedener Raumzeiten (Upadhya 2009; Zaloom 2006). Im gegenwärtigen Kapitalismus gibt es keine einheitliche oder gleichförmige soziale Raumzeit. Vielmehr existieren vielschichtige Timescapes, in denen wir versuchen (durch die Arbeit innerhalb und mit der Zeit) menschliche und nicht-menschliche Handlungen zu koordinieren (Thrift und May 2001; Bear 2014).

    Auf diese Weise eröffnet sich zwar eine Vielfalt an Timescapes zur Untersuchung, jedoch bleibt unser Verständnis davon, wie sich diese Timescapes in der Praxis überschneiden, lückenhaft. Insbesondere müssen wir nachzeichnen, wie die Vielzeitigkeit von Finanzkapital, technologischen Instrumenten, Vorhersagetechniken, Zeitvorstellungen, sozialen Disziplinen, nicht-menschlichen Ressourcen und sozialer Reproduktion in Arbeitsplätzen und Gemeinschaften vermittelt werden. Diese Leerstelle ist problematisch, da wir ohne eine Analyse der Widersprüche und Aushandlungen solcher Polychronitäten zwei Schlüsselelemente des zeitgenössischen wirtschaftlichen Lebens nicht untersuchen können: die zunehmende Ungewissheit bezüglich des Prozesses der Kapitalakkumulation; sowie die zentrale Bedeutung der Rhythmen von Kredit und Defizit für die Produktivität (Bear 2014; Graeber 2012; Roitman 2003). Zusätzlich sollte das Augenmerk auf solche Fragen die Idee untergraben, dass Speed-up und Zeitwirtschaft– an sich die gröbste Vereinfachung der Effizienzlogik – das Herzstück des Kapitalismus ausmachen. Stattdessen können wir nun die heterogenen Formen von Temposteuerung, Zeitdauer, Warten, Pause, Veralterung und Verspätung untersuchen, welche die generativen Rhythmen des Kapitalismus ebenfalls charakterisieren.

    • Die Raumzeit-Widersprüche des Kapitalismus sind multipel sowie vermittelt durch menschliche Arbeit in/mit der Zeit.
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Literaturangaben

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Zavella, Patricia. 1984. Women’s Work and Chicano Families: Cannery Workers of the Santa Clara Valley. Ithaca, N.Y.: Cornell University Press.

Professor Laura Bear (PhD University of Michigan) specializes in the anthropology of the economy, infrastructures and time. Her current research focusses on the Covid-19 pandemic, infrastructures of care and emerging practices of the public good. Her most recent book based on ESRC funded research in India, Navigating Austerity (2015), addresses two key questions of our era: why does austerity dominate in state policy and how can we change this? Drawing on the experiences of boatmen, shipyard workers, hydrographers, port bureaucrats and river pilots on the Hooghly in West Bengal it proposes a social calculus. This measures policy according to the qualities of the social relations it generates and the ability it creates to plan for the future among precarious communities. This has led to comparative research on communities along the Thames in the UK and into local experiments in cooperative and post-growth economies in rural Japan. The goal of all of these projects is to build an innovative practice of the public good that can renew communities and citizen-state relations.

Karen Ho is a Professor in the Department Anthropology at the University of Minnesota, Twin Cities. Her research centers on the problematic of understanding and representing financial markets, sites that are resistant to cultural analysis. Her domain of interest is the anthropology of economy, with specific foci on financialization; capitalism; corporations; socio-economic inequalities; and critical race and feminist studies. Her ethnography, Liquidated: An Ethnography of Wall Street (Duke University Press, 2009) was based on three years of fieldwork among investment bankers and major financial institutions. Recent publications include “Markets, Myths, and Misrecognitions: Economic Populism in the Age of Financialization and Hyperinequality. (Economic Anthropology, 2018); “What Happened to Social Facts?” (American Anthropologist, co-edited, 2019); “In the Name of Shareholder Value: Origin Myths of Corporations and Their Ongoing Implications” (Seattle Law Review, 2020); “Why the Stock Market is Rising Amidst a Pandemic and Record, Racialized Inequality” (American Ethnologist online, 2020), and “Markets, Finance, Whiteness, and the American Dream” (Routledge 2022). Her forthcoming book, Financial Afterlives (Duke University Press) is especially concerned with the ongoing ramifications of financialization-gone-wild: increased socio-economic inequality, and racialized extraction and scapegoating.

Anna Lowenhaupt Tsing is a professor of anthropology at the University of California, Santa Cruz, as well as at Aarhus University, Denmark. Her most recent collaborative project is the book Field Guide to the Patchy Anthropocene (Stanford University Press), which works to extend the digital project Feral Atlas: The More-than-Human Anthropocene (www.feralatlas.org).  She is the author of several books, including Friction: An Ethnography of Global Connection and The Mushroom at the End of the World: On the Possibility of Life in Capitalist Ruins (both from Princeton University Press).

Sylvia Yanagisako is the Edward Clark Crossett Professor of Humanistic Studies and Professor of Anthropology at Stanford University.  Her research and publications have focused on kinship, gender, and capitalism. Her book, Producing Culture and Capital: Family Firms in Italy (Princeton University Press, 2002), was based on intensive ethnographic research on family firms in the silk industry of Como, Italy. Her latest book, Fabricating Transnational Capitalism (Duke University Press, 2019), co-authored by Lisa Rofel, is a collaborative ethnography of Italian-Chinese joint ventures in global fashion.

Tim Burger[1] is a final-year PhD student in Social Anthropology at the University of Cambridge. He has conducted fieldwork on São Jorge Island, Portugal, and in Central Java, Indonesia, with a focus on agriculture, economic practices, household relations, and the state. His dissertation is titled “Cultivating Lost Land: Livelihood and Depopulation on an Azorean Island.” Before pursuing his doctoral thesis in Cambridge, he studied for a MSc in Social Anthropology at the London School of Economics (LSE), and B.A. in Social and Cultural Anthropology and Law at the University of Munich (LMU) where he also taught various courses. E-mail: tp447@cam.ac.uk

[1]A.d.Ü : Ich danke Lisa Burger, Quirin Rieder und vor allem Katja Schwaller für ihre hilfreichen Anmerkungen und Kommentare zu früheren Versionen dieser Übersetzung.