14/09/19

Über diesen Blog

Unter dem Titel „Dschungelmärchen“ erschien am 15. Oktober 2016 in der Druckausgabe der Süddeutschen Zeitung (online als „Die Mär vom edlen Wilden“ am 17.10.2016) eine Polemik gegen die Ethnologie. Der Autor Christian Weber zeichnet darin ein Bild der Ethnologie, das diese als unheilbringende und gefährliche Verklärerin barbarischer Verhaltensweisen erscheinen lässt, rechtfertige der von der Ethnologie propagierte Kulturrelativismus doch Gesellschaftsformen, deren Existenz man eigentlich besser in Frage stellen sollte.

Die damit verbundene Infragestellung der sich seit der Aufklärung als Wissenschaft formierenden Ethnologie hat unter Ethnologinnen und Ethnologen zahlreiche öffentliche, halb- und nichtöffentliche Reaktionen hervorgerufen. Auch die Redaktion Siegen/Nordwest der Zeitschrift für Kulturwissenschaften findet, dass Webers Polemik nicht unbeantwortet bleiben sollte und wir nehmen den Artikel zum Anlass, die Diskussion zu bündeln und interdisziplinär zu erweitern. Dabei soll nicht nur der Vorwurf des Kulturrelativismus, sondern auch der gleichzeitig immer wieder an die Ethnologie herangetragene gegenteilige Vorwurf des Rassismus und Ethnozentrismus in Betracht gezogen werden.

In diesem paradoxen doppelten Vorwurf zeigt sich die Ambivalenz der Ethnologie bzw. des Reisenden im Allgemeinen. Berichte über das Fremde sprechen nicht nur über das Fremde, sondern immer auch über das Eigene, indem sie das Eigene in einem neuen – besseren oder auch schlechteren – Licht erscheinen lassen. Der edle Wilde hat dabei eine ähnlich lange Tradition wie der barbarische Wilde.

Wie der besagte Artikel von Christian Weber und auch die aktuellen, zunehmend von Abschottung und Fremdenfeindlichkeit geprägten politischen Entwicklungen in Deutschland, Europa und anderen Teilen der Welt zeigen, sind diese Fragen nach Universalismus und Relativismus nach wie vor aktuell und bedürfen einer differenzierten öffentlichen Debatte über den Umgang mit Fremdem.

In wöchentlicher Folge werden wir an dieser Stelle Beiträge veröffentlichen, die über die Geschichte und die Aufgabe der Ethnologie, ihre Selbst- und Fremdwahrnehmung, ebenso wie ihr Verhältnis zur Aufklärung und ihre gesellschaftspolitische Relevanz reflektieren. Wir sind gespannt, in welche Richtung sich die Diskussion entwickelt, welche Themen Anschluss finden und inwieweit sich die Ethnologie am Ende als Aufklärung verstehen lässt.

Wir bedanken uns beim GSSC, dass es uns auf seiner Homepage ein Forum dafür zur Verfügung stellt und weisen hiermit darauf hin, dass die hier geäußerten Meinungen nicht die Meinung des GSSC wiedergeben. Der Blog wird betrieben in Zusammenarbeit mit dem Sonderforschungsbereich 1187 Medien der Kooperation an der Universität Siegen.

Redaktion: Ehler Voss (V.i.S.d.P., Universität Siegen), Martin Zillinger (Universität zu Köln) & Christoph Antweiler (Universität Bonn)

Falls Sie Interesse haben, selbst einen Beitrag zu verfassen, melden Sie sich bitte bei Ehler Voss (ehler.voss@uni-siegen.de)