Ringen um Rückgabe
Frühe Forderungen der Maori nach Restitution und Repatriierung, 1945-1947
„Now that Vienna has fallen we your humble petitioners humbly pray that you honorable house will take steps to have restitution made on behalf of the Maori people by taking steps to have the whole of the Collection herein referred to return to the Dominion of New Zealand.”[1]
Diese Worte schrieben Paneta Maniapoto Otene und zehn weitere Unterstützer 1945 in einer Petition an das neuseeländische Parlament. Sie forderten nun, nach der Besetzung Österreichs durch die Alliierten, die Rückgabe von sterblichen Überresten sowie Objekten, die der österreichische „Naturforscher“ Andreas Reischek im 19. Jahrhundert ausgeführt hatte und von denen sie vermuteten, dass sie sich nun im Naturhistorischen Museum Wien befänden. Diese Petition markiert den Startpunkt einer Debatte, in der Neuseeland, über das Vereinigte Königreich, versuchte von Österreich sterbliche Überreste und Objekte, die in kolonialen Kontexten entwendet wurden, zurückzuerlangen – eine Debatte, die von der Öffentlichkeit in Europa völlig unbemerkt geführt wurde.
Im Folgenden wird das Ringen britischer Akteure um eine mögliche Restitution rekonstruiert.[2] Gefragt wird, welche Akteure für oder gegen eine Restitution bzw. einen bestimmten Modus der Rückgabe argumentierten. Die britische Vertretung in Neuseeland und Wien, sowie das britische Dominion Office (DO), Foreign Office (FO) und Treasury rangen darum, ob sie das Restitutionsgesuch von Neuseeland unterstützen sollten. Trotz anfänglich wohlwollender Diskussion, entzog das Vereinigte Königreich schließlich Neuseelands Gesuch die Unterstützung. Erst vierzig Jahre später, 1985, gab Österreich sterbliche Überreste aus der Sammlung Reischek an Neuseeland zurück.[3]
I. Hintergrund
Andreas Reischek (1845-1902) reiste zwischen 1877 und 1889 mehrfach nach Neuseeland und verbrachte dort insgesamt 12 Jahre. Seinem guten Verhältnis zu den Maori verdankte er, dass er als erster Europäer Zugang zum Zentrum der Nordinsel (Kings Country) erhielt. Als Autodidakt führte er umfangreiche Forschung vor Ort durch und sammelte mehrere tausend ethnologische und zoologische Objekte, sowie sterbliche Überreste, die er hauptsächlich an das Naturhistorische Museum in Wien gab.[4] Seine Arbeit wurde aber zu seinen Lebzeiten nur mäßig anerkannt und sein Wissensdurst, aber auch sein Geltungsbedürfnis trieben ihn immer zu weiteren Sammelaktionen.[5]
Im Anschluss an die oben genannte Petition kontaktierte die neuseeländische Regierung das britische DO. Sie legte dar, dass die Rückgabe in einen möglichen Friedensvertrag mit der österreichischen Regierung eingearbeitet werden könnte und gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass das Vereinigte Königreich diese Forderung unterstützen würde: „In the meantime we should be grateful if you would consider and advise us to the most suitable procedure for making the claim.”[6] Die Verfahrensfrage, d.h. die Frage, wie eine solche Rückgabe der Maori Objekte und sterblichen Überreste gestaltet werden könnte, beschäftigte die britischen Behörden für zwei Jahre. Die Akteure mussten Expertise über die Objekte, aber auch über Präzedenzfälle einholen und das Vorgehen mit unterschiedlichen Akteuren abstimmen.
II. Ringen um eine britische Position
Für die britische Politik war es wichtig, eine Position zu finden, die sie gegenüber Neuseeland sowie Österreich vertreten konnte. Dabei zeigt sich, dass die britischen Beamten keine grundsätzliche Haltung zum Umgang mit Restitutionsforderungen hatten. Vielmehr wägten die unterschiedlichen britischen Akteure die Folgen einer möglichen Rückgabe ab[7] und positionierten sich entlang ihrer allgemeinen politischen Interessen, d. h. die konkreten Objekte und eine Einzelfallprüfung standen nicht im Mittelpunkt.
Nach der Petition und der neuseeländischen Anfrage war es zunächst notwendig, die genauen Objekte zu bestimmen sowie ihre Lage und ihren Zustand zu recherchieren. Auf dieser Basis wurde von den britischen Beamten eine Entscheidung über ein Themenfeld erwartet, über das sie kaum Vorwissen hatten. Für Fragen zur Maorigesellschaft, Geschichte des europäischen Sammelns oder zu Museumspraktiken mussten sie von außen Wissen einholen.[8] Daher schließt sich grundlegend die Frage an, woher sie jeweils ihr Wissen bezogen.
Umstrittene Objekte[9]
Ausgangspunkt für die Rückgabeforderung war die Petition von Otone, der von den britischen Behörden als Repräsentant für die Maori akzeptiert wurde (lediglich in Neuseeland wurde dies differenzierter gesehen).[10] Seine Petition blieb in der Frage, welche Objekte sie genau forderten, relativ offen. Er beschrieb zunächst die Reise- und Sammeltätigkeit von Reischek: „In the night by stealth Reischek recounts in his own book he removes some bodies, at the risk of his life, and got them over the boundaries of the King Country and eventually spirited them away to Europa where they were placed in the Ethnographical collection of the Imperial Natural History Museum of Vienna, Austria.” Er führte weiter aus, dass darunter auch „37 Maori skulls and a number of mummified Maori bodies“ seien und forderte, „on behalf of the Maori people […] to have the whole of the Collection herein referred to returned to the Dominion of New Zealand.”[11] Das Schreiben der neuseeländischen Regierung schloss sich dieser Argumentation an, ohne weitere Informationen über die Sammlung zu liefern.[12]
Das DO wandte sich über die britische Vertretung in Wien an das Museum für Völkerkunde – der einzigen Institution, die über den derzeitigen Status der Sammlung Auskunft geben konnte. Es entschied sich aber taktisch dagegen, die Rückgabeforderungen zu erwähnen und erklärte allgemein ein Interesse Neuseelands an der Reischek-Sammlung und fragte nach ihrem Verbleib und Zustand. Dominik Josef Wölfel, Kurator am Museum, versicherte, dass das Museum seine „world-famous Andreas Reischek Collection of Maori objects […] faithful to our duties” gegen Bomben sowie gegen die „Prussian occupants” geschützt habe und derzeit eine Ausstellung über „Österreicher als Erforscher und Sammler in der Welt“ plane, worin auch diese Sammlung entsprechend gewürdigt werden solle. Da die britischen Behörden die Restitutionsforderung nicht erwähnt hatten, spricht ungebrochener Stolz auf die Sammlung aus Wölfels Brief („our most cherished treasures“).[13]
Wissensquellen
Vor allem, da die Fordernden nur über vage Informationen zur Sammlung verfügten, stellt sich die Frage, woher sie diese wenigen Informationen bezogen. In einer späteren Anfrage des Vereinigten Königreichs an Neuseeland, warum sie die Objekte nicht bereits zuvor zurück gefordert hatten, antworteten diese: „It was not for many years that the Maoris heard rumours that the relics had been taken to Austria, but it was only by reading Andrea’s (sic) book during the recent war that the petitioners got definite knowledge on the subject.”[14] Die wichtigste Grundlage bildet somit der 1930 erschienene Reisebericht „Yesterday in Maoriland“ – die englische Version eines Reiseberichtes, der zuvor auf Deutsch veröffentlicht wurde.[15] Hieran zeigt sich einerseits, dass der Zugang zu Informationen – auch aufgrund der Sprachbarriere und Distanz – entscheidend für das Einsetzen der Restitutionsforderungen war und anderseits, dass den Handelnden nicht alle verfügbaren Informationen auch bekannt waren.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass bei der deutschen Veröffentlichung von Reischeks Buches 1924 in Neuseeland berichtet wurde. In Zeitungsartikeln wurde nicht nur vermittelt, dass sich im Naturhistorischen Museum Wien mumifizierte Köper der Maori befinden würden, sondern der Akt der Beschaffung wurde ausgeführt:
„Two Maoris, who had already become sufficiently europeanised to be willing to renounce their national and religious principles for gold, led me at night to a cave near Kawhia; there I found four mummies, of which two were in a state of perfect preservation. The undertaking was a very dangerous one, for discovery would certainly have cost me my life. In the night I had the mummies removed from the spot and then well hidden; during the next night they were carried still further away and so on until they had been brought safely over the boundaries of Maoriland. But even then I kept them cautiously hidden from sight right up to the time of my departure. Now both of these ancestors of the Maori adorn the ethnographical collection of the State Natural History Museum at Vienna.”[16]
Ein Buchauszug mit diesem Zitat zirkulierte ab Mitte 1946 auch zwischen den britischen Akteuren.[17] Für die Fordernden zeigte dieser Abschnitt eindeutig, dass Reischek einen Verrat am Vertrauen (betrayal of trust) der Maori begangen habe – die britische Vertretung in Neuseeland schloss sich dieser Interpretation an.[18] In der internen Diskussion der britischen Beamten äußerte Michael Robb (FO) eine andere Lesart: „A purely personal comment on this passage is that, while it may prove that there was a betrayal of trust on the part of the two Europeanised Maoris towards their fellow tribesmen, Reischek himself cannot be accused of having broken any undertaking. Further the extract refers only to four mummies and throws no light on how the ‘large collection’ was acquired.”[19] Diese zentrale Frage der Erwerbsumstände wurde allerdings in der Nachkriegszeit nicht ausdiskutiert,[20] da sich zwischenzeitlich die Verfahrensfrage weiterentwickelte.
Orientierungspunkt Versailler Vertrag
Bereits in der Anfrage Neuseelands an das Vereinigte Königreich wurde darauf hingewiesen, dass es einen Präzedenzfall für solche Forderungen gab: den Versailler Vertrag. Dieser schrieben vor, dass die deutsche Regierung Objekte, Archivalien sowie Kunstwerke an Frankreich zurückgeben sollte, die bereits im Krieg 1870/71 erbeutet wurden (Art. 245). Darüber hinaus wurde geregelt, dass die deutsche Regierung einen Koran zurückgeben solle, der von türkischen Behörden aus Medina entfernt worden war und an Kaiser Wilhelm II geben worden sei; sowie dass der Schädel des Sultans Mkwawa der britischen Regierung übergeben werden soll, welche die Rückgabe nach Ostafrika (heute Tansania) regeln würde (Art. 246).[21] Der Versailler Vertrag bildet somit in der internationalen Diskussion um Restitution einen Meilenstein.[22]
Das Treasury antwortete auf eine Anfrage des FO: „No Peace Treaty seems to be complete without some provision of the type of Articles 245 and 246 of the Treaty of Versailles, and I should regard the New Zealand request with some sympathy”.[23] Wobei allerdings der schwerwiegende Verrat des Vertrauens belegt werden müsse. Das Ministerium wies aber auch schon auf einen anderen Punkt hin: Die Forderung könne als Spezialfall behandelt werden, wenn weiterhin angestrebt werde, Österreich als unabhängigen Staat zu etablieren. In diesem Fall wäre eine direkte diplomatische Anfrage der Einbindung in einen Friedensvertrag vorzuziehen. Schlussendlich müsse aber das FO entscheiden: „it is in effect a political matter and cannot be covered by any of our normal restitution procedures.”[24]
In den folgenden Monaten trugen die unterschiedlichen Akteure weitere Informationen zum Versailler Vertrag zusammen – wobei auffällig ist, wie kursorisch Wissen über diese Fälle eingeholt wurde. Es stellte sich heraus, dass der Koran wohl niemals in deutscher Hand gewesen war. Zu dem Schädel stellten sie fest, dass die Anschuldigungen an Deutschland nicht substantiell gewesen seien. Die Beamten folgerten, dass der Art. 246 des Versailler Vertrages „was both ill-conceived and ineffective.“[25] Damit stellten sie sich gegen die zitierte Petition, gegen verschiedene neuseeländische Zeitungsartikel und auch gegen die britische Vertretung in Neuseeland, die die Parallele zum Versailler Vertrag überzeugend fanden.[26]
Diplomatische Vorgehen
Trotz Sympathien des Treasurys für eine Aufnahme eines Restitutionsparagraphen im Versailler Vertrag, schrieb das FO im Januar 1946 an Neuseeland, dass es von einer Restitutionsforderung abraten und ein diplomatisches Vorgehen empfehlen würde. Falls Neuseeland auf eine Restitution im Rahmen eines Friedensvertrags bestehen würde, müsse es allerdings den Vertrauensbruch belegen.[27] Neuseeland stimmte dem Vorgehen zu, bat aber das Vereinigte Königreich zu vermitteln.[28]
J.P.G. Finch, Mitarbeiter im FO, arbeitete drei Argumente heraus, auf denen die Rückgabeforderung fußte: 1. Illegalität, 2. Bruch des Vertrauens sowie 3. Verletzung religiöser Gefühle. Die Illegalität des Erwerbs sei nicht nachgewiesen, beträfe höchstens einen Teil der Sammlung und sei darüber hinaus verjährt. Der Bruch des Vertrauens – der maßgeblich in der eigenen Beschreibung Reischeks gründet, wurde ebenso für nichtig erklärt, da – nach Sicht des FO – der Verrat des Vertrauens nicht bei Reischek, sondern bei den „europäisierten“ Maori läge. Somit blieb lediglich das Argument der religiösen Gefühle.[29] Im schon erwähnten Memorandum erläuterten die Fordernden auch die Frage nach der religiösen Bedeutung der Objekte: „The strong superstition of the Maori people regarding the sacredness, not only of the dead, but also of the belongings of the dead would seem to answer the question. This short answer could be elaborated indefinitely.”[30] Die britischen Beamten bauten auf dieser knappen Antwort ihre weitere Argumentation auf – wobei später noch deutlich werden wird, dass der Punkt nicht ausreichend verstanden wurde.
Bevor das Vereinigte Königreich sich allerdings an Österreich wandte, stand noch das Problem der unklaren Definition der Reischek-Sammlung im Raum. Da die britischen Beamten nur die religiösen Begründungen für die Rückgabe anerkannten, reduzierte sie die Rückgabeforderung auf die sterblichen Überreste – die anderen Objekte fielen nur bedingt in diese Kategorie und wurden daher vernachlässigt.[31]
Restitutionsforderung
Mit dieser Strategie wandte sich das Vereinigte Königreich Ende 1946 an das österreichische Bundeskanzleramt. Sie schrieben: „These mummies are, in the eyes of the Maoris, of great religious significance and not simply museum exhibits, and their restoration has been the subject of repeated representation by the Maori members of the New Zealand House of Commons. It is only on the grounds of their sacred character that their return to New Zealand is so earnestly desired by the Maoris”.[32]
Das Bundeskanzleramt zeigte sich von der Anfrage überrascht. Auch wenn die Forderung mit den religiösen Gefühlen der Maori begründet wurde, betonte es zunächst, den legalen Erwerb sowie Reischek gute Beziehung zu den Maori. Folgenreicher war allerdings, dass sie dem Vereinigten Königreich mitteilten, dass diese Objekte auf ähnliche Weise akquiriert worden waren wie die sterblichen Überreste und Objekte der Maori im British Museum (London), Pitt Rivers Museum (Oxford), in Museen in Paris, Chicago und auch im Christchurch Museum. Bevor das Bundeskanzleramt sich also zu den Forderungen äußerte, fragte es, ob ähnliche Rückgabeforderungen an diese Museen ergangen seien.[33]
Dies war den britischen Beamten neu.[34] Sie hatten sich bisher nicht über die Maori, Maori-Objekte in Museen oder allgemein über Museumspraktiken erkundigt. Und es war eine entscheidende Information für das weitere Vorgehen. Die Beamten schilderten dem British Museum und dem Pitt Rivers Museum den Fall und fragten, ob diese sterbliche Überreste der Maori hätten und, falls dies der Fall sei, wie sie erworben worden waren. Der Kurator Hermann Braunholtz schrieb, dass das British Museum keine mumifizierten Körper der Maori besäße und fuhr fort: „It was not the usual practice of the Maori to mummify the dead, and I did not know that mummies existed. Normally the bodies were first buried, and the bones subsequently collected and wrapped up for preservation in trees caves, etc., or sometime burnt. The only part fully preserved in certain cases, was the head, which was smoked. We have a number of such ‘moko’ heads. They used to be traded by the Maori themselves in exchange for guns.”[35] Auch das Pitt Rivers Museum informierte, dass sie zwei „smoked heads“ hätten. Die Beamten bezogen bei diesem, wie sie es nannten, „conflict of evidence“ Stellung. Die Informationen, dass Mumifizierung bei den Maori nicht üblich gewesen seien und lediglich die Köpfe konserviert wurden, bewerteten sie höher als die Informationen aus der Petition, die lediglich auf der Selbstaussage von Reischek (Buchauszug) basierten. Sie folgerten, dass – wenn die österreichischen sterblichen Überreste in dieselbe Kategorie wie die Überreste in den britischen Museen fallen würden – das Argument der religiösen Bedeutung hinfällig wäre.[36]
Es war zu erwarten, dass die neuseeländische Regierung das britische Schreiben an Österreich kritisierte. So monierte das neuseeländische Secretary of Extrenal Affairs v. a. den Umgang mit dem Argument des illegalen Erwerbs. Selbst wenn Österreich behaupten würde, dass Reischek die Sammlung legal erworben habe, so träfe das zumindest nicht auf die Mumien zu – ein Argument, dass die britischen Beamten nicht teilten.[37] Für die Frage, wie die britischen Akteure mit dem Fall umgingen, ist aber die Reaktion der britischen Vertretung in Neuseeland bemerkenswerter. So kritisierte ein Mitarbeiter in der britischen Vertretung, N.E. Costar, das britische Schreiben als nicht stark genug – es sei, „to say the least, very lukewarm“. Coster schrieb weiter: „We are bound to help the New Zealand Government as far as possible and I hope you will represent to the Foreign Office that they should bear in mind the local political implications of this matter and not treat it as a mere routine piece of business, and a distasteful one at that.”[38] Das FO begründete die Position gegenüber dem DO: „our instructions lacked the heat which Mr. Costar desires not because we could not be bothered, but because we were and are convinced that the New Zealand Government have no good legal case for the return of these mummies.” In Bezug auf die religiösen Gefühle der Maori müsse man erst abwarten, wie Neuseeland in Bezug auf andere Museen verfahren würde, in denen ebenfalls sterbliche Überreste von Maori aufbewahrt werden. „If the New Zealand Government is not trying to regain mummies from other museums but merely from Austria because Austria is a country under our military occupation at the moment, then I feel a case, based on the religious significance of these mummies, is somewhat weak.”[39]
Entsprechend fragte die britische Vertretung in Wien erneut beim Museum nach. Es antwortete, dass es sich um Folgendes handele: „only mummified or smoked heads and a few odd bones, which they believe to be heads and bones of enemies whom the Maoris had defeated in battle. There are definitely no entire bodies there now, and so far as we can find out, there never have been.”[40] Für die Beamten war dies der letzte Anstoß, die Angelegenheit fallen zu lassen. Finch folgerte, dass Reischek schlichtweg in seinen Reisebeschreibungen übertrieben habe. „In these circumstances I do not see that we could have to face to press the Austrians to return the objects unless they themselves wish to do so. The one good argument, the religious one, has proven so very hollow.”[41] Auch in britischen Museen existieren solche Überreste allerdings seien diese „without romantic adventure such as Reischeks suggests“ erworben – teilweise auch durch einen Tausch gegen Waffen. Darüber hinaus habe sich niemand für die Überreste in Wien interessiert, bis die Maori das Buch von Reischek gelesen haben. Nachdem somit keine Argumente für eine Rückgabe vorliegen würden, empfahl er, den Fall einschlafen zu lassen.[42] Dass die Aussage nicht der Wahrheit entsprach, erkannten die britische Beamte nicht.
III. Nachwirkungen
Für das Vereinigte Königreich war die Frage der Restitution oder Repatriierung der sterblichen Überreste Ende 1947 beendet. Ebenso schien die Forderung für Österreich und Neuseeland abgeschlossen zu sein. Als 1948 ein Geschäftsmann dem neuseeländischen Minister of Maori Affairs anbot, aufgrund seiner guten Kontakte nach Österreich bei der Restitution zu helfen, antwortet dieser, dass die Regierung die Angelegenheit nicht weiterverfolge.[43]
Unter anderem durch die Berichterstattung, wurde der Fall in Neuseeland nicht vergessen. Als diplomatische Beziehungen zwischen Neuseeland und Österreich aufgenommen wurden, unternahm Neuseeland Ende der 1950er einen weiteren Versuch, eine Restitution zu erwirken. In einem internen Dokument reflektierten die Beamten des neuseeländischen Außenministeriums zunächst die Nachkriegsverhandlungen: Das britische FO „was most unenthusiastic about making any further approach to the Austrians, apparently fearing that a precedent would be created which might be invoked for demands of their own museums for relics looted in the past by the British archeological expeditions […] At this stage it was considered that as a request for return of the whole collection might strike a blow at museum culture and as we could therefore expect to receive little support for such a request”.[44] Der Neuseeländer Georg F. Kiwi Howes informierte 1956 den Minister of External Affairs, dass er für die Maori mit Vertretern Österreichs verhandelt habe und nun nur noch eine offizielle Anfrage der neuseeländischen Regierung fehle. Trotz Skepsis schrieb der Außenminister an die österreichische Gesandtschaft: Aufgrund eins Missverständnisses (es habe sich doch um eine legale Erwerbung gehandelt) und aufgrund praktischer Schwierigkeiten (es bestanden keine direkten diplomatischen Beziehungen) sei damals beschlossen wurden, die Angelegenheit ruhen zu lassen. Nun strebte Neuseeland eine Klärung an.[45] Wenig später erfolgte allerdings erneut eine Absage von österreichischer Seite, da (1.) die Mumien von beachtlichem wissenschaftlichen Interesse seien, (2.) eine Rückgabe einen Präzedenzfall schaffen würde und auch andere Länder „mummies of their former inhabitants from museums all over the world“ fordern würden und schließlich (3.) „’all the major museums in the world’ had, on being consulted by the Austrian authorities, discouraged return of the mummy“.[46] Auf die Gründe für die Rückgabeforderung (illegaler Erwerb, religiöse Bedeutung) gingen die Österreicher nicht ein. Da sich herausstellte, dass Howe zuvor doch nicht im Auftrag der Maorivertretung gesprochen hatte und da man sich nicht sicher war, wie sehr die Maori die Rückgabe wünschten, brach Neuseeland die Rückgabeforderungen zunächst ab.[47]
Nachdem die Neuseeländische Regierung einen weiteren Vorstoß 1960/61 noch aufgrund der Erfahrungen Ende der 1950er ablehnte,[48] schien Mitte der 1970er genügend Zeit verstrichen zu sein, um einen weiteren Versuch zu wagen. Bei diesem Versuch waren die neuseeländischen Beamten zuversichtlicher – aber sie versuchten, anders als in der Nachkriegszeit, die Verhandlungen nicht öffentlich zu machen, um kein Risiko einzugehen.[49] Die Gespräche zwischen Regierung und der Gemeinschaft der Wikato und Maniopoto waren zu diesem Zeitpunkt aber weit genug gediehen, so dass einerseits festgelegt wurde, dass ein Austausch von Objekten (wahrscheinlich sterbliche Überreste gegen zeitgenössische Maori Kunst) angestrebt wurde und die Übergabe zwischen der Gemeinschaft der Waikato und Maniapoto sowie dem Museum erfolgen und Neuseeland nur unterstützend wirken sollte.[50] Es wurde aus diskutiert, ob mit der Rückführung der sterblichen Überreste von weiteren Forderungen Abstand genommen werden würde.[51] Noch Anfang September 1975 betonte das Ministerium, dass eine Übereinkunft schnell angestrebt werden sollte, da man eine gute Beziehung zur Museumsdirektorin Etta Becker-Donner habe, die allerdings schwer erkrankt sei – ein_e Nachfolger_in könnte dem Vorhaben kritischer gegenüberstehen. Becker-Donner starb Ende September. Anfang Oktober 1975 wurde auch dieser Rückgabeversuch in den neuseeländischen Akten geschlossen; ohne Nennung von Gründen.[52]
1985 – vierzig Jahre nach der ersten Rückgabeforderung – erfolgte dann die erste offizielle Rückführung einer Mumie aus der Reischek-Sammlung an Neuseeland. Seitdem erfolgten weitere Rückgaben aus Österreich sowie aus dem oben erwähnten Pitt Rivers und British Museum. Wenn bereits nach dem Zweiten Weltkrieg eine Rückführung der sterblichen Überreste – und ggf. von ethnologischen Objekten – erfolgt wäre, hätte es sich dabei um eine der ersten Rückführungen an die Maori und darüber hinaus eine der ersten Rückführungen von sterblichen Überresten aus kolonialen Kontexten gehandelt.[53] Wäre dies im Kontext eines Friedensvertrags erfolgt, wäre eine breitere Aufmerksamkeit wahrscheinlich gewesen; der Vorgang hätte in Wien und London nicht verdrängt werden können.
IV. Schlussbemerkung
Für die historische Forschung, aber auch für die aktuelle Debatte um Restitution im postkolonialen Kontext bietet diese Rückgabeforderung ein aufschlussreiches Fallbeispiel. Die überlieferten Akten ermöglichen einerseits einen Einblick in die Verhandlungen und die Aushandlung der jeweiligen Positionen. Die verschiedenen britischen Akteure vertraten dabei keineswegs eine einheitliche Position, sondern die britische Vertretungen in Neuseeland, das Foreign Office oder das Treasury bewerteten die Forderung jeweils vor dem Hintergrund ihrer politischen Leitlinien (ebenso wie die verschiedenen Akteure auf neuseeländischer Seite). Die Vertretung in Neuseeland legte dabei wesentlich größeres Gewicht auf eine Unterstützung der neuseeländischen Position, während das Außenministerium einen wesentlich pragmatischeren Ansatz verfolgte und die Forderungen im größeren diplomatischen Kontext sah. Die Beamten waren dabei keineswegs neutrale Sachbearbeiter, sondern versuchten sich eine eigene Meinung zu den Vorgängen zu bilden. Dass sie dabei keine Experten für die europäische Sammlungspraxis in kolonialen Kontexten, die Maori oder Museumspraktiken konsultierten, ist nicht überraschend. Bemerkenswert ist allerdings das selektive Einholen von Informationen sowie die Tatsache, dass die britischen Beamten den Wiener Akteuren Vertrauen entgegenbrachten, während sie gleichzeitig die Informationen der Maori anzweifelten. Wobei sich dies eher damit erklären lässt, dass es Meinungen der Beamten stützte und weniger mit der Befürchtung, dass eine Rückgabe auch Auswirkungen auf die britischen Sammlungen gehabt hätte.[54]
Andererseits lässt sich aufzeigen, dass die Verhandlungen nicht nur zwischen zwei Akteuren, sondern in transnationalen Beziehungen verschiedener Akteure mehreren Ländern geführt wurden. Auch bevor Restitutionsverhandlungen auf UNESCO-Ebene verhandelt wurden, ist das keine Ausnahme. So wandte sich beispielsweise bereits in den 1930er Jahren der Oba von Benin (Nigeria) an die britische Kolonialverwaltung und bat um die Rückgabe von zwei Stools, die 1897 als Trophäen ausgeführt worden waren. Das Colonial Office recherchierte, spürte diese in Berlin auf und verhandelte die Rückgabe von Replica.[55] Um beim Fallbeispiel Nigeria zu bleiben, wandte sich der nigerianische Antiquities Officer 1945 ebenfalls an das Vereinigte Königreich: Nach dem Krieg sei die Museumslandschaft in Deutschland stark beeinträchtigt, während in Nigeria ein neues Bewusstsein für sein kulturelles Erbe wachse und neue Museen aufgebaut werden; das Colonial Office solle daher ausloten, inwieweit eine Rückführung von Objekten möglich sei – ein Vorschlag der intensiv diskutiert wurde.[56]
Die Bewertung der religiösen Argumente bei Rückgabeforderungen – gerade im Falle von sterblichen Überresten der Maori – hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt. Die Frage auf welcher Grundlage sich staatliche Stellen für oder gegen Restitution aussprechen, ist allerdings auch für aktuelle Fälle dringend weiter zu erforschen; ebenso widerstreitende Interessen der unterschiedlichen Akteure, ihr jeweiliger Wissensstand sowie die historische Genese von (post)kolonialen Rückgabeforderungen im 20. Jahrhundert.
Lars Müller arbeitete im Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung u.a. im DFG-Projekt „Afrikawissen. Diskurse und Praktiken der Schulbuchentwicklung in Deutschland und England, 1945-1995“, in dessen Rahmen er seine Dissertation schrieb. Seit Januar 2019 ist Lars Müller wissenschaftlicher Projektkoordinator im Verbundprojekt „Provenienzforschung in außereuropäischen Sammlungen und der Ethnologie in Niedersachsen“ (PAESE). Er forscht er zu transnationalen Debatten um (post)koloniale Restitutionsforderungen im 20. Jahrhundert.
Fußnoten
[1] Petition No. 66/1945. Petition of Paneta Maniapopo and Others, TNA DO 35/1195/36.
[2] Die Auswertung beruht maßgeblich auf Akten im National Archive, Kew (TNA). Im historischen Archiv des Weltmuseum Wien und im Naturhistorischen Museum Wien sind zu dem Vorgang (1945-1947) keine Unterlagen erhalten. Die Überlieferung vom Archives New Zealand Te Rua Mahara o te Kāwanatanga, Wellington, (ANZ) wird nur ergänzend genutzt.
Dieser Beitrag ist Teil eines Projektes, in dem ich Diskurse und Praktiken von (post)kolonialen Restitution(sforderungen) im 20. Jahrhundert untersuche.
[3] Zu österreichischen Restitutionen an Neuseeland ab 1985 s. Weiss-Krejci, E.: Abschied aus dem Knochenkabinett – Repatriierung als Instrument kultureller und nationaler Identitätspolitik am Beispiel österreichischer Restitutionen, in: Stoecker, H.; Schnalke, T.; Winkelmann, A. (Hg.): Sammeln, Erforschen, Zurückgeben? Menschliche Gebeine aus der Kolonialzeit in akademischen und musealen Sammlungen, Berlin 2013, 447-476.
[4] Zu den sterblichen Überresten der Maori im Naturhistorischen Museum Wien sowie der Abgabe der Reischek-Sammlung an das Museum s. Eggers, S.; Herewini, T. H.; Mamaku, T. A.; Schattke, C.; Buttinger, K.; Eggers Gorab, M.; Berner, M.: Māori Human Remains in the Natural History Museum in Vienna: Exhumed, shipped, exchanged and inventoried, in: Das Museum im kolonialen Kontext, im Erscheinen. Ich danke Sabine Eggers herzlich für die Bereitstellung des Manuskripts.
[5] So Kolig: E.: Umstrittene Würde. Andreas Reischek, der Neuseeland-Forscher aus dem oberösterreichischen Mühlviertel, Wien 1996, 8-9. Zur Sammlung der umstrittenen Objekte, 104-128. King, M.: The Collector. A Biography of Andreas Reischek, Auckland 1981.
[6] Inward Telegram No. 339 Secret from New Zealand to D.O., 15.10.1945, TNA DO 35/1195/36.
[7] Erik Goldstein stellte die These auf, dass das Vereinigten Königreich keine feste Position in Bezug auf Restitution hatte, sondern vielmehr einen diplomatischen Pragmatismus an den Tag legte. Dieses Fallbeispiel lässt sich in dieser Tradition einordnen. Goldstein fokussiert hierbei allerdings auf den Versailler Vertrag und vorherige Restitutionsfälle im 19. Jahrhundert. Es bleibt offen, ob dies auch auf die vielfältigen Rückgabeforderungen an das Vereinigte Königreich nach dem Zweiten Weltkrieg zutrifft. Goldstein, E.: Cultural Heritage, British Diplomacy, and the German Peace Settlement of 1919, in: Diplomacy & Statecraft 30(2019)2, 336-357, hier 340.
[8] Das Ministry of Education, dem die britischen Museen unterstanden und das in diesen Fragen über Expertise verfügte, wurde nicht in die Verhandlungen einbezogen.
[9] Eine Kurzbeschreibung der Sammlung findet sich in Hanns, P.: Zur Geschichte der Wiener Polynesien-Sammlung, in: Hanns, P. (Hg.): Polynesier. Vikinger der Südsee. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung des Museums für Völkerkunde Wien, Wien 1978, 11-53, hier 36-37.
[10] In einem Memorandum an das neuseeländischen Außenministerium heißt es „the petitioners are hardly be said to be representative of the people concerned, nor has any move be made by the leader of either the Waikato or Maniapo tribes.” Memorandum for the Permanent Head, External Affairs, 09.07.1946; ähnlich R. Manson, Minister of Native Affairs, 15.10.1945 ,weshalb dieser schloss .”I would strongly recommend that no serious action be taken in the matter.” In einer Zusammenfassung der Ereignisse heißt es, dass Otone sich in einem Zeitungsartikel als „a direct descendant of one of the men whose bodies were so taken without permision“ bezeichnet; Evening Post 10.11.1946, zitiert nach Mummified Marori Bodies in Vienna [1956], ANZ AAMK 869 W3074 674/b 19/1/547.
[11] Petition No. 66/1945, TNA DO 35/1195/36.
[12] Telegram No 339, 15.10.1945, TNA DO 35/1195/36.
[13] Wölfel vermutete, dass die Anfrage vom Museum in Auckland kam – eine Delegation aus Auckland hatte Wien vor dem Krieg besucht. D. J. Wölfel, Professor of Ethnology and Languages, Curator of the Museum für Völkerkunde to Monuments, Fine Art & Archives Branch, International Affairs Division, Allied Commission for Austria (British Element), 03.12.1945, TNA DO 35/1195/36.
[14] Memorandum containing Answers of Petitioners to Specific Questions raised by United Kingdom Government in Connection with Restitution of Mummified Bodies of Maori Chiefs, Wellington 10.09.1946, TNA DO 35/1195/36.
Darüber, dass zwischen 1930 und 1945 keine Forderungen an Wien gestellt wurden, wird nicht offiziell von britischen und neuseeländischen Beamten diskutiert. In einer internen Mitschrift zweifelt J.P.G. Finch, Mitarbeiter im FO, dies aber stark an. Innerhalb der 15 Jahre nach der Veröffentlichung hätte das Buch seinen Weg nach Neuseeland – und in die Hände eines Maori – finden müssen; dass die gerade im Krieg geschah, sei merkwürdig. J.P.G. Finch, 24.04.1947, TNA FO 371/65055/2. Vgl. auch Kolig: Umstrittene Würde, 112. King: The Collector, 103-104.
[15] Reischek, A.: Yesterday in Maoriland, London 1930.
[16] Ein weitgehend gleichlautender Artikel wurde in verschiedenen Zeitungen ohne Nennung eines Autors veröffentlich, s. Anereas Reischek. New Zealands Explorations. Book of Reminiscences, in: Ottago Daily Times, 10.05.1926. Andreas Reischek. Exploration in New Zealand. Famous Scientist’s Reminiscences, in: Evening Post, 13.05.1926. Andreas Reischek. Exploration in New Zealand. Famous Scientist’s Reminiscences, in: Franklin Times, 24.05.1926.
1930, zum Erscheinen von Yesterday in Maoriland, erfolgten Berichte über Reischek. Hier wurden die Mumien nicht genannt, aber seine umfangreiche Sammlung aus Ethnographica, Zoologica und Ornitologica. S. u. a. A Forgotten Naturalist, in: The Evening Star, 17.05.1930.
Es gab auch schon eine erste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Sammlung, s. Firth, R.: Maori Material in the Vienna Museum, in: The Journal of the Polynesien Society 40(1931)159, 95-102.
[17] Extract from pp. 214-216 “Yesterdays in Maoriland” by A. Reischek. Morrison & Gibb LTD. 1930, TNA DO 35/1195/36.
[18] So J.E. Coulson (Wellington) an W.G. Head (DO), 01.07.1946, TNA: DO 35/1195/36.
[19] M.A.M. Robb (FO) an A.W. Snelling (DO), 01.08.1946, TNA DO 35/1195/36.
[20] S. zu den Erwerbsumständen u. a. Kolig: Umstrittene Würde; King: The Collector.
[21] Es gibt im Versailler Vertrag weitere Bestimmungen, die Restitution regelten (Art. 247 über die Rückgaben an Belgien; Art. 131 über Rückgaben an China). Auf diese beiden Punkte wird in der Diskussion 1945-1947 nicht eingegangen.
[22] Vrdoljak, A. F.: Enforcement of Restitution of Cultural Heritage through Peace Agreements, in: Francioni. F.; Gordley, J. (Hg.): The Enforcement of International Legal Protection of Art and Cultural Heritage, 2013, 23-29.
[23] E.W.Playfair (Treasury) an J.E. Coulson (FO), 17.10.1945, in: TNA DO 35/1195/36. Er wies außerdem darauf hin, dass China vor kurzem eine ähnliche Forderung nach Objekten aus der „Boxer rebellion“ an Italien gestellt habe. Diesem wurde nicht nachgegangen; vielmehr konzentrierte man sich nur auf den Koran und den Schädel, die bereits in der Anfrage Neuseelands genannt wurden.
[24] „normal restitution procedures“ bezog sich auf die Restitutionsbestrebungen für im Krieg bewegte Kulturgüter.
[25] M.A.M. Robb (FO) an A.W. Snelling (DO), 01.08.1946, in: TNA DO 35/1195/36. S. zu den Verhandlungen um Koran und Schädel auch Goldstein: Cultural Heritage, British Diplomacy. Auch innerhalb des FO kam man zu dem Schluss: „All in all, then, Art. 246 of the Treaty was little more than illusory“. Minutes 22.07., TNA FO 371/53105/14.
Auf die Akten zu der Forderung wurde hier allerdings nicht eingegangen, obwohl diese zu einer ähnlichen Schlussfolgerung kamen. Die Diskussionen über die Verhandlungen zur Rückgabe des Schädels des Mkwawa zogen sich bis in die 1950er Jahre. Als das Thema 1940 erneut angestoßen wurde, hieß es in der internen Diskussion im FO „It was always rather a mistake to let this get into the Versailles negotiations. We shall certainly never make any progress with it now!”, 05.05.1940, in: TNA FO 370/592. Zur Rückgabe des Schädels und den Debatten darum s. Baer, M.; Schröter, O.: Eine Kopfjagd. Deutsche in Ostafrika, Berlin 2001. Bucher, J.: The Skull of Mkwawa and the Politics of Indirect Rule in Tanganyika, in: Journal of Eastern African Studies 10(2016)2, 284-302. Brockmeyer, B.; Edward, F.; Stoecker, H.: The Mkwawa Complex. A Tanzanian-European History about Provenance, Restitution and Politics, in: Journal of Modern European History 18(2020)2, 117-139.
[26] Vgl. u. a. Maori Demand. Return of Bodies. Versailles Precedent, in: Wellington Evening Post, 29.08.1946.
[27] J.E. Coulson (FO) an A.W. Snelling (DO), 17.01.1946, TNA FO 942/348/1.
[28] N.E. Costar (Office of the High Commissioner) an W.G. Head (DO), 01.07.1946, TNA DO 35/1195/36.
Nach einem Gespräch zwischen dem High Commissioner und der neuseeländischen Regierung sagte diese zu, dass die Rückgabe durch „diplomatic channels“ durchgeführt werden sollte. Dass Neuseeland die Forderung aufrecht erhielt, lag auch daran, dass es mittlerweile eine zweite Petition im neuseeländischen Parlament gegeben hatte. N.E. Costar (Office of the High Commissioner) an W.G. Head (DO), 08.10.1946, TNA FO 371/53105/18.
Die zweite Petition ist in den britischen Akten nicht überliefert; inhaltlich ist sie maßgeblich eine Bestätigung der ersten Petition, s. Petition No 38/1946 Raureti Te Huia and 23 Others, presented by Mr Cotterill for Mr Ratana to the Hon. The Speaker and Members of the House of Representatives in Parliament assembled, ANZ AAMK 869 W3074 674/b 19/1/547.
Im November wurde der Repräsentant des Vereinigten Königreichs in Österreich beauftragt, auf die österreichische Regierung zuzugehen. Dabei wurden inhaltliche Vorgaben gemacht – bemerkenswert ist aber dabei auch, dass Konsequenzen angedeutet wurden: „You may, if you think fit, mention to the Austrian Government that considerable feeling has been arouse on this matter, and very unfavourable publicity would be caused by the Austrian Government’s refusal to accede to the request for their return.” R. Stevens (FO) an Mack (Vienna), 13.11.1946, TNA DO 35/1195/36.
[29] J.P.G. Finch (FO), 24.04.1947, TNA FO 371/65055/2.
[30] Memorandum containing Answers of Petitioners to Specific Questions raised by United Kingdom Government in Connection with Restitution of Mummified Bodies of Maori Chiefs, Wellington 10.09.1946, TNA FO 371/53105/18.
[31] Die religiösen Gründe bezogen sich zwar auch auf Objekte, die in Zusammenhang mit den sterblichen Überresten standen, aber dies war den Beamten scheinbar nicht bewusst. S. Begründung für die britische Vertretung in Neuseeland: P. Fraser an High Commissioner Sir P. Duff, 07.10.1946, TNA 371/53105/18.
[32] Aide Memoire, 26.11.1946, TNA FO 371/53105/21.
Bemerkenswert ist ebenfalls, dass das Vereinigte Königreich nicht hinterfragte, wer für die Maori sprach. Auf neuseeländischer Seite wurde dies wesentlich differenzierter gesehen. Vgl. FN 10.
[33] Bundeskanzleramt. Auswärtige Angelegenheiten: Aide Memoire replying to the British Aide Memoire of November 26th 1946, 05.12.1946, TNA FO 371/53105/21.
[34] Auch der neuseeländischen Regierung war diese Information neu, wobei sie betonten, dass selbst, wenn dies der Fall sei, es keinen Einfluss auf die konkrete Forderung hatte. A. D. McIntosh, Secretary of External Affairs an High Commissioner for the UK, Wellington, 26.02.1947, TNA FO 371/65055/2.
[35] H. Braunholtz (BM) an J.P.G. Finch (FO), 21.05.1947, in: TNA FO 37/65587. Zur Praxis der Mumifizierung mit Bezug auf Reischeks Sammlung s. Orchiston, W.: The Practice of Mummification among the New Zealand Maori, in: The Journal of the Polynesian Society 77(1968)2, 186-190.
[36] Minutes J.P.G. Finch, 22.05.1947, FO 371/65587.
[37] A.D. Mcintosh, Secretary of External Affairs an High Commissioner for the UK, Wellington, 26.02.1947, TNA FO 371/65055/2.
[38] N.E. Costar (Office of the High Commissioner) an Sir C. Dixon 11.03.1947, TNA FO 371/65055/2.
[39] P.V. O’Regan (FO) an S. MacLeod (CO), 16.05.1947, TNA FO 371/65055/2.
[40] Diese entscheidende Information ist nur durch die britische Vertretung erhalten; ein direktes Statement des Museums ist nicht überliefert. Political Division, Allied Commission for Austria, (British Element), Vienna an Commonwealth Liaison Department (FO), 15.09.1947, TNA FO 371/65587.
[41] Minutes J.P.G. Finch (FO), 14.10.1947, TNA FO 371/65587.
[42] J.P.G. Finch (FO) an S.A. Goulborn (CRO), 17.10.1947, TNA FO 371/65587.
[43] P.E. Klarwill an Minister of Maori Affairs, 17.09.1948, Antwort 13.10.1948. eine ähnliche Antwort erhielt L. Adams, die sich nach dem Stand der Dinge erkundigte, 08.07.1949, ANZ AAMK 869 W3074 674/b 19/1/547.
[44] Mummified Maori Body in Vienna, o. D. [1957], ANZ AAMK 869 W3074 674/b 19/1/547.
[45] T.L. MacDonald: Note from Minister of External Affairs to Austrian Legation, 29.03.1957, ANZ AAMK 869 W3074 674/b 19/1/547.
Howe hatte zunächst mit dem Sohn von Andreas Reischek verhandelt; später fanden wohl Gespräche mit dem Vizekanzler und Bildungsminister statt.
[46] Department of External Affairs an Department of Maori Affairs, 16.04.1958, ANZ AAMK 869 W3074 674/b 19/1/547. Zum derzeitigen Zeitpunkt ist unklar, welche Museen von Wien kontaktiert wurden.
[47] Ebd., Sectretary for Maori Affairs an Secretary of External Affairs, 09.05.1958, ANZ AAMK 869 W3074 674/b 19/1/547.
[48] S. Briefwechel Korrick und neuseeländische Regierung 1960/1961, ANZ AAMK 869 W3074 674/b 19/1/547.
[49] So Minister of Maori Affairs an D.R. Simmons 22.04.1975, ANZ AAMK 869 W3074 674/b 19/1/547.
[50] So Office of the Foreign Minister, 23.05.1975.
[51] Ministry of Foreign Affairs an K.T. Wetere 06.12.1974. Brief an Minister of Foreign Affairs 15.04.1975, ANZ AAMK 869 W3074 674/b 19/1/547.
[52] Minister of Maori Affairs, Minister of Foreign Affairs an K.T. Wetere, 03.09.1975, 03.10.1975, ANZ AAMK 869 W3074 674/b 19/1/547.
[53] Kolig: Umstrittene Würde, 114. Ein Überblick über Restitutionen ab 1990: https://www.tepapa.govt.nz/international-repatriation. Andreas Winckelmanns Überblick über Rückführungen aus Deutschland datiert die erste Rückführung (an Samoa) auf 1911, gefolgt von einer Rückführung an Tansania 1954. Eine erste Rückführung an Neuseeland führt er für 1991 auf. Winkelmann, A.: Repatriations of Human Remains from Germany 1911 to 2019, in: Museum & Society 18(2020)1, 40-51, hier 41.
[54] Weiterführende Konsequenzen wurden nicht diskutiert; ebenso wenig wurde das Beispiel in eine europäische Museumspolitik eingeordnet. Nur in internen Kommentaren blitzen teilweise Kommentare hierzu auf. So beispielsweise 1946 in den Minutes des FO: „As all the oldtime archaeologist were plain looters, it is an interesting question whether many of the objects in European museums are not recoverable in international law by the countries from which they were removed.” – Diskutiert wurde dies aber auch an dieser Stelle nicht, TNA: FO 371/53105/14.
[55] Peraldi, A.: Oba Akenzua II’s restitution requests, in: Kunst&Kontexte 1(2017), 23-33.
[56] K.C. Murray an Carstairs (CO), 08.07.1945.